Vera Vohlidalova (Tschechische Republik)


 

«Wir alle sind – ebenso wie unsere Schicksale – einzigartig, aber nicht außergewöhnlich.»

Wissen, Menschenrechte und Versöhnung sind die bestimmenden Kräfte in Vera Vohlidalovas Leben. Sie bezeichnet sich als “europäisches Produkt”, geboren 1942, Zeugin unserer jüngsten turbulenten Geschichte, immer entschlossen, ihre Meinung deutlich zu äußern. 1995 baute Vera in Liberec eine mehrsprachige Bibliothek als “Bau der Versöhnung” auf und wurde ihre Leiterin. Vera ist aktiv im Versöhnungsprojekt der Euroregion Neisse-Nysa-Nisa und setzt sich ein für ein harmonisches Zusammenleben der Menschen über die Grenzen der Tschechischen Republik, Polens und Deutschlands hinweg. Das Tschechisch-Deutsche Forum der Frauen, deren Vorsitzende sie ist, gehört zu diesem Projekt.

Vera Vohlidalovas deutsche Mutter und tschechischer Vater waren aktive Antifaschisten. Nach der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei emigrierten Veras Eltern nach London, wo sie geboren wurde. Nach dem Krieg kehrte die Familie nach Liberec (Reichenberg) zurück und erlebte die Vertreibung der Deutschen mit.
Vera wurde Bibliothekarin. Im Sommer 1968 wurden alle Hoffnungen des Prager Frühlings auf eine politische Veränderung jäh durch Panzer des Warschauer Pakts zerstört. Vera gehörte zu den vielen, die protestierten. Schwanger- und Mutterschaft bewahrten sie vor Entlassung und Gefängnis. Bei strenger politischer Kontrolle und für geringen Lohn konnte sie im Informationsbüro des Liberecer Hospitals weiterarbeiten. Sie brachte die Dokumentation auf den neuesten Stand und schmuggelte verbotene ausländische Literatur ins Haus. Bis zum Ende des Kalten Krieges 1989 wurde sie wegen ihrer politischen Ansichten und ihrer Familie diskriminiert und verfolgt: Sie war halb deutscher Abkunft und ihr Vater war einer der Unterzeichner des Dissidenten-Dokuments Charta 77.
“Bibliotheken sind Abbild und Gedächtnis einer Gesellschaft”, sagt Vera. 1995 baute sie in Liberec auf dem geschenkten Grund der zerstörten Synagoge eine Bibliothek als “Bau der Versöhnung” auf. Vera wurde Leiterin dieses Hauses, einem Ort der Informationen zur gemeinsamen Geschichte, an dem demokratische Werte und die Versöhnung ehemals antagonistischer Bevölkerungsgruppen gefördert werden. Mehr als 2.000 Besucher aus der Tschechischen Republik und dem Ausland kommen täglich in die Bibliothek. Sie sind interessiert an historischen Zusammenhängen und grenzübergreifender Kultur. Es gibt auch einen Gebetsraum für die jüdische Gemeinde und einen Raum zur lokalen jüdischen Geschichte für alle. Seit zwei Jahren ist Vera im Ruhestand, aber sie nennt die Bibliothek, eine der modernsten in Europa, weiterhin “ihr Kind”.

Research Library of Liberec, Building of Peace and Reconciliation
(Wissenschaftliche Bibliothek Liberec, Bau der Versöhnung),
Czech-German Women’s Forum (Tschechisch-Deutsches Forum der Frauen)
Reconciliation Project for the Euroregion Neisse-Nysa-Nisa (Versöhnungsprojekt der Euroregion Neisse-Nysa-Nisa)

Europa | Tschechische Republik

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