Tatiana Chertoritskaya (Russische Föderation)


Peacewomen

«Warum werden Beschlüsse, die dem Frieden dienen – von jeder Mutter so klar zu erkennen – von den machthabenden Männern nicht getroffen?»

Die 1948 geborene Tatjana Tschertoritskaja ist promovierte Philologin, eine anerkannte Wissenschaftlerin und Spezialistin für die Traditionen der “Altgläubigen” (Altorthodoxen), einer Abspaltung der Russisch-Orthodoxen Kirche. Sie ist Abgeordnete der Russischen Staatsduma und hat in verschiedenen Bundesämtern gearbeitet. 2002 gründete sie die NGO Sozialdemokratischer Kongress der Frauen, der heute 55 regionale Niederlassungen hat. Im Mittelpunkt der Arbeit von Tatjana Tschertoritskaja stehen die Gleichstellung von Mann und Frau, der Frieden und der Aufbau der Zivilgesellschaft.

1974 brach Tatjana zu ihrer ersten wissenschaftlichen Expedition ins Altai-Gebirge auf, um entlegene ländliche Gemeinschaften zu besuchen, in denen die Traditionen der Altgläubigen (Altorthodoxen), einer Abspaltung der Russisch-Orthodoxen Kirche, gepflegt wurden. Tatjana war bestürzt über die Armut und das Elend in den Bergdörfern und darüber, dass kommunistische Behörden im Kampf gegen Religion alte Ikonen und Gebetsbücher beschlagnahmt hatten, die von den Menschen von alters her wie ein Schatz gehütet worden waren. Dennoch waren die Menschen gutherzig und gastfreundlich geblieben. Bis heute erinnert sich Tatjana, wie ein Dorfältester ihr sagte: “Wenn du dich nicht verlierst, findest du alles.“ Diese Worte gruben sich tief in ihr Gedächtnis ein. Tatjana versucht, sich nicht zu verlieren.
Als im Oktober und November 1993 das russische Parlament von präsidententreuen Truppen eingenommen wurde, sah Tatjana in den Straßen von Moskau zum ersten Mal in ihrem Leben Zusammenstöße und Blutvergießen. Sie war fest davon überzeugt, dass nur friedliche Mittel der Konfliktlösung hätten eingesetzt werden dürfen. Ihr wurde klar, dass auch sie sich, als Frau, Publizistin, Lehrende und Historikerin, den Friedensaktivisten/-innen anschließen sollte.
1994 erfuhr Tatjana, Abgeordnete in der russischen Staatsduma, aus dem Radio vom Einmarsch der russischen Truppen in Tschetschenien. Die weiblichen Abgeordneten legten geschlossen Protest ein, aber es waren zu wenige Frauen in Machtpositionen und Tatjana fragte sich damals: “Warum werden Beschlüsse, die dem Frieden dienen – von jeder Mutter klar zu erkennen – von der Mehrheit der machthabenden Männern nicht getroffen? Wie kann man eine Balance der Kräfte erreichen?“
Seither kämpft Tatjana aktiv für ein Ende des Blutvergießens in Tschetschenien. Sie weiß, wie entscheidend die Rolle der Frauen bei der Suche nach friedlichen Lösungen für bewaffnete Konflikte ist.

Sozial-Demokratitscheskii Kongress Schenstschin (SDKZ) (Women’s Social-Democratic Congress – Sozialdemokratischer Kongress der Frauen); Institute of Social Sciences (Institut für Sozialwissenschaften);
Russian Union of Writers (Verband der Schriftsteller und Schriftstellerinnen Russlands)
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