Sabriye Tenberken (Deutschland)


 

Peacewomen

«Blindheit ist nicht das Ende der Welt. Man kann als blinde Person ein wundervolles Leben führen.»

Sabriye Tenberken, eine Deutsche, die im Alter von 12 Jahren erblindete, gründete 1998 die erste Schule für blinde tibetische Kinder in Lhasa. Sie hat viele Hindernisse überwunden, die Interesselosigkeit der Regierung, offene Feindschaft und unregelmäßige finanzielle Unterstützung, aber heute verändert ihr Rehabilitations- und Trainingszentrum für Blinde das Leben einer wachsenden Zahl blinder Tibeter/-innen. Die Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler beginnen den traditionellen tibetischen Glauben zu verändern, dass Blindheit eine Bestrafung für Verfehlungen im vorherigen Leben ist.

Die Aufgabe steht an der Tafel: 9.730 durch 78. Wir sind in der dritten Klasse eines Internats in einer kleinen tibetischen Stadt. Vier Schüler/-innen des Zentrums – drei Mädchen und ein Junge – wurden kürzlich in die Schule versetzt und Sabriye möchte herausfinden, wie es ihnen geht. Der/die Lehrer/-in feuert die Mathefragen auf sie ab und alle vier heben die Hand. Nyima wird aufgerufen. Sie springt auf und rasselt die Antwort herunter. “Allen vieren geht es sehr gut”, flüstert Sabriye mir zu. “Kürzlich gab es in einer Nacht keinen Strom und unsere Kinder waren die Einzigen, die ihre Hausaufgaben im Dunkeln machen konnten!”
Als wir nach dem Unterricht gehen wollen, fängt Gyenzen, ein 18-Jähriger, plötzlich an zu weinen. “Was ist los?”, fragt Sabriye und setzt sich neben ihn. Gyenzen ist zu aufgebracht, um zu sprechen. Den Arm um ihn gelegt, beruhigt Sabriye ihn langsam. Schließlich erzählt Gyenzen, dass einige Jungen mit Steinen nach ihm warfen, er weiß aber nicht wer, da er nicht sehen kann. Sabriye umarmt ihn. “Du bist klüger als die”, sagt sie. “Die sind wahrscheinlich neidisch auf dich. Sag ihnen, wenn sie kämpfen wollen, sollen sie näher kommen und mit ihren Händen kämpfen!” Gyenzen nickt und ein Lächeln erhellt sein verweintes Gesicht. Sabriye seufzt. “Blinde brauchen eine dicke Haut. Es ist falsch, sie zu sehr zu beschützen – und wahrscheinlich sowieso nicht möglich. Es ist wichtig, ihnen den Mut und die Techniken zu geben, solche Dinge zu überleben.”
Bis Mitte des Jahres 1998 gab es in Tibet nicht eine einzige Schule für blinde Kinder. Dann startete Sabriye eine Schule in Lhasa mit sechs jungen Tibeter/-innen. Trotz enormer Härten – finanziell, emotional und medizinisch – sorgte Sabriye für ein Fortbestehen der Schule. Heute ist das Zentrum zur Rehabilitation der Blinden als vorbildliche Institution in Tibet und anderen Teilen von China bekannt und genießt einen guten Ruf.

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