Krystyna Kurczab-Redlich (Polen)


 

Peacewomen

«Wer in der heutigen Welt nicht auf dem Bildschirm stirbt, stirbt nicht in Wirklichkeit.»

Krystyna Kurczab-Redlich ist Journalistin. Trotz des Verbotes reiste sie zwischen 1997 und 2004 regelmäßig nach Tschetschenien und drehte vier Dokumentationen. In “Todesröcheln”, “Mord mit internationaler Zustimmung”, “SOS für Tschetschenien” und “Tschetschenen nach Beslan” prangert sie die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien an. 2000 erschien ihr Buch “Pandrioshka”. Nach 14 Jahren in Russland wurde sie nicht mehr akkreditiert, ihr Telefon wurde abgehört. Sie kehrte nach Polen zurück und schreibt weiterhin über Menschenrechtsverletzungen in Russland und hilft tschetschenischen Flüchtlingen.

Sich an russischen Kontrollposten dumm zu stellen oder in Tränen auszubrechen, half fast immer. Nicht aber bei Soldatinnen. 2002, nach fünf Jahren regelmäßiger Tschetschenien-Reisen, wurde Krystyna Kurczab-Redlich an einem Militärkontrollpunkt aufgefordert, aus dem Auto zu steigen. “Ich schrieb danach darüber, als ob es einer anderen passiert sei, weil ich meiner Familie keine Angst machen wollte”, sagt sie. Nachdem sie durchsucht wurde, brachte eine Soldatin sie in ein großes nach Chlor stinkendes Zelt mit einem Loch im Boden, in dem Tschetschenen/-innen bis zum Hals standen. Sie starben. Die Soldatin fragte die Journalistin: “Willst Du dorthin? Du wirst bald da landen.”
Sie spricht nicht gerne darüber. Sie erklärt, dass sie ohne Genehmigung einreiste – Journalisten/-innen dürfen offiziell nur in geführten Gruppen reisen. Unter einem Kopftuch versteckt, kauerte sie sich in die Ecke eines Taxis, bewahrte die Bänder mit den Dokumentarfilmen in ihrer Unterwäsche auf und bestach gierige Soldaten, wenn es sein musste. Sie filmte Leichen und junge Menschen ohne Arme und Beine, sprach mit Menschen, die entsetzlich gefoltert wurden, und mit Frauen, die Leichenberge umgruben, um nach toten Brüdern oder Ehemännern zu suchen. Sie traf hunderte von Müttern, die ihre Kinder verloren hatten. “Ich erkannte, dass der Spruch ‘Wer, wenn nicht ich?’ auf mich zutrifft. Wenn ich nicht dorthin fahre und berichte, wer dann?”
Aber 2004 erhielt sie hasserfüllte Blicke von Tschetschenen/-innen: “Du hilfst uns nicht. Du verdienst Geld an uns.” “Damals habe ich einen Ring gekauft und beschlossen, ihn erst wieder abzunehmen, wenn meine Aktionen etwas Konkretes bewirkt haben. Mein Ziel ist es, dass diejenigen, die in Tschetschenien Verbrechen begangen haben, sich einem Prozess stellen müssen wie Milosevic. Dort gehören sie hin. Ich werde wahrscheinlich mit diesem Ring sterben. (Schweigen). Vielleicht auch nicht.”
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